Ein ruhiger Einstieg nach einem rasanten Jahr
Willkommen zurück
Man kann sagen, dass der Januar arbeitstechnisch gesehen für mich ein ziemlich kurzer Monat war. Als wir Anfang Januar wieder aus dem Urlaub kamen, gab es erst einmal unglaublich viele Emails zu checken. Wir hatten schon fast vergessen, wie der Stand der Dinge auf der Arbeit war. Das war auch der Punkt an dem mir auffiel, wie durcheinander all diese Unterlagen auf meinem Laptop waren. Ich verbrachte ziemlich viel Zeit damit Emails zu löschen, Ordner anzulegen und aufzufrischen und vor allem die Liste mit all den Informationen und Kontaktdaten unserer Zeitzeugen zu pflegen.
Das war es dann auch schon wieder
Kaum hatte ich mich wieder eingearbeitet, wurde ich auch schon wieder außer Gefecht gesetzt. Am Donnerstagnachmittag fing es an, dass ich mich etwas fiebrig gefühlt habe, weshalb ich fast froh war, dass mir mein Zeitzeuge für unser geplantes Interview am Nachmittag abgesagt hatte. Was am Donnerstag noch ein bisschen Fieber war, war dann am Freitagmorgen eine „ausgewachsene“ Erkältung. Da ich keine halben Sachen mache war ich für ganze eineinhalb Wochen lahmgelegt.
Der erste Gedanke war natürlich CORONA. Das hat sich zum Glück aber nicht bestätigt.
Unser erstes Online Seminar
Nach einer Woche auskurieren hieß es dann wieder einmal „Seminar“ für uns. Dieses Mal ging das Seminar von Montag bis Freitag und hat ausschließlich über Zoom stattgefunden. Wir waren ziemlich nervös, da wir für dieses Seminar einer anderen Gruppe als sonst zugeteilt waren und auch überhaupt keine Ahnung hatten wie man sich so ein Seminar komplett online überhaupt vorstellen sollte. Doch alle Sorgen waren unberechtigt und das Seminar hat Jana und mir vom ersten Moment an echt super gefallen.
Als wir das erste Mal dem Zoom-Meeting beitraten und unsere Gruppenleiter*innen uns als erstes nach unserem Pronomen fragten, merkten wir, dass das etwas Besonderes wird, denn danach wurden wir bisher noch nie gefragt. Sowas sollte eigentlich normal sein, da sich heutzutage viele Personen mit einem anderen Geschlecht identifizieren und mit anderen Pronomen angesprochen werden möchten als man im ersten Moment vermuten würde. Einer unserer Gruppenleiter*innen identifiziert sich z.B. als non-binär (das ist ein Oberbegriff, der einfach bedeutet, dass jemand sich nicht in das herkömmliche, streng zweigeteilte Geschlechtersystem – weiblich oder männlich - einordnen kann oder will). Dies hat sicherlich positiv dazu beigetragen, dass wir eine wirklich offene und diskursfreudige Woche zu unseren Themen Intersektionalität und Grenzüberschreitung hatten.
Intersektionalität
Wikipedia sagt „Intersektionalität (von englisch intersection „Schnittpunkt, Schnittmenge“) beschreibt die Überschneidung und Gleichzeitigkeit von verschiedenen Diskriminierungskategorien gegenüber einer Person.“
Dies hat zur Auswirkung, dass wenn Personengruppen nicht nur wegen eines Merkmales systematisch diskriminiert werden, sondern auf Grund mehrerer Merkmale sich die Diskriminierungsarten nicht nur addierten, sondern in einer Wechselwirkung mit einander stehen. Diese Auswirkung von Intersektionalität wurde vor allem von schwarzen Frauen beschrieben, die sich nicht vom weißen Feminismus abgeholt fühlten, da sie nicht nur wegen ihres Frau-seins diskriminiert wurden, sondern auch auf Grund ihrer Hautfarbe. Auch fühlten sie sich nicht von den Menschenrechtsbewegungen die gegen den Rassismus gegenüber schwarzer Menschen kämpften mit bedacht, da diese oft nur die Rassismuserfahrungen schwarzer Männer thematisierten und die Diskriminierung gegenüber Frauen nicht widerspiegelten. Auf Grund dieses Zustandes fühlten sich viele schwarze Frauen übergangen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Um 1989 herum führte dann Kimberlé Crenshaw den Begriff Intersektionalität ein. Intersektionalität am Beispiel von Afroamerikanerinnen erscheint für viele bestimmt etwas fern. Doch Beispiele dafür lassen sich auch erschreckend oft, überall in unserem Alltag finden, auch z.B. in der Schule. So begannen Jana und ich auch unsere eigene Schulzeit zu reflektieren und in dem Zusammenhang unsere Erfahrungen mit denen einiger Freunde zu vergleichen.
Eine Freundin und ehemalige Klassenkameradin von Jana hat uns erlaubt über Ihre Erfahrungen zu berichten. Zu allererst ist sie natürlich eine Frau und erlebt -mal mehr mal weniger- wie eigentlich jede Frau, Sexismus. Jedoch hört es da für sie, wie zum Beispiel bei Jana und mir, nicht auf. Sie kommt aus Syrien. Dies bringt verschiedene Diskriminierungsarten mit sich: Zuallererst sieht sie natürlich anders aus als, “die Deutschen“, oder besser gesagt als der westeuropäische Phänotyp. Sie hat einen dunkleren Teint und erfährt auf dieser Basis, ungeachtet ihres genauen Herkunftslandes, Rassismus. Dazu kommen noch die vielen Vorurteile und die Abneigung, die manche Deutsche gegenüber Syrien aufgrund der Flüchtlingskrise in den letzten Jahren hegen. Deutsch ist nicht ihre Muttersprache, weshalb sie es natürlich in der Schule auch um einiges schwerer hatte als jemand, der mit der Sprache aufgewachsen ist. Dennoch wurde sie zu denselben Ansprüchen bzw. Standards angehalten wie der Rest. Hinzu kommt, dass natürlich auch Lehrer ihre Vorurteile und „Meinungen“ haben, welche die Notengebung, bewusst oder unbewusst, negativ beeinflussen können. Janas Freundin berichtete auch von einem Lehrer, welcher sie andauert auf eine sehr provokative Art und Weise auf ihre Religion ansprechen musste und ganz deutlich seine Abneigung gegenüber dem Islam kundgetan hat. Durch all diese verschiedenen Diskriminierungsarten, hatte sie es um einiges schwerer in der Schule als Jana und ich. Am Ende hat sie jedoch Ihr Abitur gemeistert und sich nicht unterkriegen lassen.
Generationskonflikt und die Menschlichkeit
Da Jana und ich uns für solche Themen wie Diskriminierung oder Rassismus schon seit längerem interessieren und sie auch allgemein ziemlich im Vordergrund in unserer Generation stehen, sensibilisieren wir uns auch immer weiter darauf. Das bedeutet, dass sich nach und nach (manchmal bewusster und manchmal unterbewusster) unsere Sprache verändert und dass wir aber auch anfangen unser Umfeld zu hinterfragen. Das ist natürlich auch bei den Interviews die wir führen so. Da wir mit einer anderen Generation mit vollkommen anderen Erfahrungen reden, unterscheiden sich unsere Weltbilder dementsprechend auch oft.
In den Interviews hört man hier und da unbedachte Wörter, oder Aussagen, welche so heutzutage nicht gesagt werden sollten. Da muss man sich schon manchmal ein bisschen auf die Zunge beiße um keine Diskussion anzufangen oder die Leute zu „belehren“. Ich führe mir dann immer vor Augen, dass früher einfach nicht so wie heutzutage über solche Themen reflektiert wurde und ganz andere Themen im Vordergrund standen. Trotzdem merken wir in den Interviews immer wieder, dass Personen die wir interviewen, den ersten Grundsatz des DRK Menschlichkeit vertreten. Ganz nach dem Motto: „Mensch ist Mensch und allen wird geholfen.“
Für uns als FSJlerinnen zeigt dies auch wie die Gesellschaft sich verändert hat. Man muss weiter reflektieren und erkennen, dass die Bekämpfung von Diskriminierung wie Rassismus oder Sexismus gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind und deshalb eine Grundvoraussetzung für eine vielfaltssensible Haltung in ehrenamtlicher- und hauptamtlicher Arbeit für das DRK sein soll.
Nach den zwei Wochen „Arbeitspause“ ging es für mich dann auch wieder regulär weiter. Auf mich warteten ziemlich viele E-Mails und Anrufe die ich beantworten musste.