Ich befasse mich eigentlich viel mit Geschichte und auch mit solch schweren Themen wie Flucht. Und wenn man sich viel mit einem Thema oder einer Situation beschäftigt, glaube ich, neigt man schnell dazu zu denken, man verstehe es jetzt. Man verstehe wie sich das anfühlt. Man begreife die tiefereBedeutung. Aber ich weiß auch, dass das zwar rein menschlich aber gleichzeitig eben sehr überheblich ist. Mir ist wichtig, mir immer klar zu machen: In Wirklichkeit werde ich das niemals auch nur annähernd begreifen. Und das nur aus dem einen Grund, dass ich aus einer Generation und Gesellschaftsschicht komme, die niemals annähernd ähnliches Leid empfunden hat. Die Probleme eines Nachkriegskindes, eines Flüchtlings, einer rassistisch diskriminierten Person (PoCs: People of Color), einer homosexuellen Person und vielen anderen, werde ich als nicht Betroffene (also als weiße, cisgender Person aus der Generation Z, die in Deutschland geboren ist), niemals wirklich in ihrem vollen Maße verstehen. Aber ich kann es versuchen. Und ich denke, dass es unglaublich wichtig ist es zu versuchen. Denn es gibt so viele Probleme in der Welt und ich glaube, es wäre allein schon ein großer Schritt sich nicht nur mit seinen eigenen Problemen, sondern auch mit den Problemen Anderer zu befassen. Aus dem gleichen Grund habe ich das Gefühl, dass mich das Projekt und solche Geschichten, wie sie mir Frau Kiehl erzählt hat, sehr stark weiter bringen. Ich frage mich, welche Probleme der Welt wir alle lösen könnten, wenn wir einander mehr zuhören würden. Und ich frage mich welche Probleme wir überhaupt noch hätten, wenn wir uns an nur ein paar grundlegende moralische Regeln halten würden. Ich glaube, dass die 7 Grundsätze des Roten Kreuz (allen voran natürlich der erste Grundsatz, die Menschlichkeit) eigentlich ein selbstverständlicher Maßstab für jeden sein sollten.
Viele Konflikte entstehen durch Ungleichheit und Unverständnis. Es ist oft schwer sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Vor allem, wenn diese komplett andere Überzeugungen oder Lebensumstände haben. Deshalb ist Kommunikation wichtig. Und deshalb habe ich diesen Monat auch gemerkt, wie wichtig der zweite Grundsatz des DRK, der Unparteilichkeit, eigentlich ist. In diesem Grundsatz ist festgeschrieben, dass jedem Menschen geholfen werden sollte, der Hilfe braucht. Unabhängig davon welche Kultur, Nationalität, politische Überzeugungen, Rassifizierung, Religion oder soziale Stellung er besitzt. Wie schwer das manchmal fallen kann, ist denke ich jedem klar. Und gerade deshalb beeindruckt mich die Konsequenz, mit der jede/jeder DRKler*in aus meinen Interviews, diesen Grundsatz umgesetzt hat umso mehr.
Tja, offensichtlich bringt mich die anhaltende Zeit des Beinahe-Lockdowns zum Philosophieren über die ganz großen Themen der Welt… Ich wünsche jeder/jedem Leser*in Gesundheit, ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen und nachträglich noch mal frohe Weihnachten und einen gutes Jahr 2021!